Die Sucht gebraucht zu werden
Manche Menschen sind wahre Alltagshelden: Sie haben für jeden ein offenes Ohr, ermutigen andere und sind immer bereit, einzuspringen, zu helfen und alles zu geben. Sie reichen dir ihre Hände und zeigen großes Einfühlungsvermögen, doch gleichzeitig belasten sie ihr eigenes Seelenleben mit den Problemen anderer Menschen. Sie betrifft die Menschen, die einen Großteil ihres Selbstwertgefühls daraus beziehen, dass sie anderen helfen. Sie stellen deren Bedürfnisse über die eigenen und geben häufig mehr, als sie bekommen. Einflüsse in der Kindheit spielen eine wichtige Rolle. Kinder, die wenig Liebe, Bestätigung oder Anerkennung von ihren Eltern erfahren haben, glauben oft, sich Zuneigung erarbeiten zu müssen. Vor allem wegen Sätzen wie „Wegen dir ist Mami traurig“ oder „Du machst mich echt wütend“ bekommen Kinder das Gefühl, ihr Verhalten ist allein verantwortlich für die Gefühlslage anderer. Interessant ist auch, dass sie sogar stolz darauf sind, besonders leidensfähig und aufopferungsvoll zu sein.
Auch du hast bestimmt den einen oder anderen Bekannten mit Helfersyndrom in deinem Umfeld. Es sind herzensgute Menschen, die alles für dich tun würden und es ist wunderbar, solch einen Menschen in seinem Leben zu haben. Wenn du dich zu 100% auf jemand verlassen kannst, dann auf sie! Nie würde eine solche Person dich mit Absicht verletzen, abweisen oder NEIN sagen.
Helfersyndrom Kennzeichen
Bist du der Helfertyp? Typische Anzeichen sind:
- Du hilfst permanent anderen
- Du tust ungefragt helfen
- Du hast Probleme mit dem NEIN sagen
- Du kämpfst ständig mit deinem schlechten Gewissen
- Dir fällt es schwer, Hilfe anzunehmen
- Du kannst mit Lob schlecht umgehen
- Du rechtfertigst dich ständig
- Du tust dich schwer dabei, andere um Hilfe zu bitten
- Du liebst das Gefühl gebraucht zu werden
Wie gesagt, an sich ist helfen ja etwas Gutes. Ganz oft allerdings stecken unbewusst ganz andere Gründe dahinter.
Was steckt HINTER dem“Helfersyndrom“
In den meisten Fällen steckt hinter dieser übertriebenen Hilfsbereitsschaft ein Mangel an Selbstliebe sowie dem Wunsch nach Anerkennung! Für diese Menschen bedeutet Anerkennung = geliebt werden. Menschen mit einem Helfersyndrom führen innere Kämpfe, weil sie nicht Nein sagen können und ihre Hilfsbereitschaft zum Teil auch ausgenutzt wird. Und sie leiden, wenn die Resonanz auf ihre gut gemeinte Hilfsbereitschaft nicht so ausfällt, wie sie es sich wünschen. Das Problem: Eine gewisse Hilfe nimmt jeder Mensch gern an. Es gibt auch einige, die sich auf dem Tatendrang anderer ausruhen und ein entspanntes Leben genießen. Die meisten Menschen sind aber irgendwann genervt, weil sie die auferzwungene Hilfsbereitschaft als Eindringen in die Privatsphäre empfinden. Oder sie mögen das Gefühl nicht, rund um die Uhr bemuttert zu werden und fühlen sich teilweise regelrecht entmündigt. Dann sind sowohl Ärger als auch Enttäuschung und Unverständnis auf beiden Seiten vorprogrammiert.
Bitte versteh mich nicht falsch. Es ist wunderbar, wenn du anderen hilfst, nur – wenn du damit einen inneren Mangel ausgleichen willst, dann ist das nicht gut für dich. Diese Verhaltensmuster geschieht unbewusst.
Ich kenne das nur zu gut. Auch in meinem Leben gab es unzählige Beispiele dafür. Und es war ein Prozess dieses Verhalten abzulegen. Ich habe mich jahrzentelang so verhalten, weil ich Angst und Hemmungen hatte, Nein zu sagen. Das ich deshalb abgelehnt werde oder man mich dann nicht mehr mögen würde. Ich war unsicher und nicht mutig genug zu mir zu stehen. Total irrsinnig eigentlich.
Das ist ein Mangel den ich mir damals eingestehen musste. Und wenn ich es mal geschafft hatte, Nein zu sagen, dann plagte mich mein schlechtes Gewissen. Ich habe quasi die Belange anderer über meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche gestellt. Ich habe „JA“ aus den falschen Motiven heraus gesagt.
(Und noch eins zu dieser Angst abgelehnt zu werden: Wenn dich Menschen nur gern haben, nur lieben, nur respektieren oder nur mit dir zusammen sein wollen, wenn du nützlich für sie bist, dann kann ich dir nur sagen: Löse dich von ihnen. Sei dir sicher, die Menschen die dich wirklich deiner selbst lieben, bleiben an deiner Seite. Diese Erkenntnis hat mir geholfen, klarer zu sehen, was ich wirklich will und was nicht. Ich bin überzeugt, das auch dir das helfen wird.)
Strategie zum NEIN sagen lernen
Es ist ja oftmals so, dass, wenn dich jemand um etwas bittet, du aus einem Gefühl oder dem schlechten Gewissen heraus nicht ablehnen kannst. Du sagt ja, obwohl du gerne Nein sagen würdest. Etwas später regst du dich über dich selbst auf. Und verurteilst dich, das du es wieder mal nicht geschafft hast.
Deshalb versuche folgendes:
Wann immer dich jemand um was bittet bzw. die „Anfrage“ zum Helfen kommt, sage erst mal: „Kann ich dir grad noch nicht sagen, aber ich gebe dir bis dahin Bescheid.“ Nun kannst du überlegen, ob du das nun machen willst oder nicht. Das hilft dir, dass du nicht mehr überrumpelt wirst. Wichtig ist nur, dass du dann auch demjenigen wirklich Bescheid gibst. Bis dahin kannst du in Ruhe rausfinden, ob du es wirklich willst oder ob es einfach daran liegen könnte, dass du schlecht Nein sagen kannst.
Also, prüfe bei jeder Anfrage, ob du WIRKLICH helfen möchtest und aus welchen Gründen und Gefühlen heraus du dich dafür oder dagegen entscheidest.
Wenn du das herausgefnden hat, dann teile die Antwort deinem Gegenüber ehrlich mit. Dein schlechtes Gewissen wird sich hin und wieder bei dir melden, aber werde dir bewusst, das das falsch ist. Du brauchst niemals ein schlechtes Gewissen zu haben, wenn du Entscheidungen FÜR DICH triffst!
Helfen an sich ist immer etwas Gutes. Und nach dem universellen Gesetz, das das, was du aussähst zu dir zurück kommt, sowieso. ABER, wenn du aus den falschen Motiven und aus Mangel heraus handelst, dich aufopferst für andere, Gegenleistung erhoffst, dann kann Ja-Sagen und Helfen zur Belastung werden und auch krank machen. Eine innere Unzufriedenheit wird dadurch dein ständiger Begleiter sein.
Hast du auch Erfahrung damit gemacht? Teile mit mir deine Ansichten und Eindrücke!
Deine Andrea